Als im Jahr 2011 die beiden Regisseure David Dworsky und Victor Köhler die sehenswerte Dokumentation „PressPausePlay“ im Netz veröffentlichten, u.a. als interaktiven Film (Link), war in den Unternehmen von „Digital Transformation“ noch keine Rede. Zwar entsendete die Wirtschaft ihre Marketingmanager zu den Kongressen und Fachtagungen um die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Medienlandschaft als Werbeträger zu diskutieren. Aber die Produktentwickler und Ingenieure traf man selten bei den Medientagen. Heute, nicht einmal 6 Jahre nach „PressPausePlay“, reicht es nicht mehr die kommerzielle Kommunikation auf digitale Plattformen zu erweitern und im besten Fall anzupassen. Jetzt, so die Unternehmensberater, sind Transformer gefragt.
Wie kann man die Digitalisierung in einem Unternehmen langfristig verankern und sowohl die Anteilseigner als auch alle Mitarbeiter auf diese Reise mitnehmen? Eine Herausforderung, der sich immer mehr Unternehmer stellen.
Tatsächlich glaubt nur jeder fünfte Entscheider, dass sein Unternehmen “gar nicht” und jeder dritte, dass es lediglich “schwach” von der Digitalisierung betroffen sei (Crisp-Research.com, September 2015). Vierzig Prozent der Befragten bezeichnen sich sogar als „digital führend“ und fast sechzig Prozent sehen ihre digitalen Skills als „stark“ oder „sehr stark“ ausgeprägt an. Scheinbar alles im Lot.
„Digitale Transformation“ ist ein Paradigmenwechsel in Richtung „Digital First“ für alle Bereiche eines Unternehmens, insbesondere in der Produktentwicklung.

Quelle: Deloitte Digital und Heads! – 17 Branchen-Cluster mit deren individuellen Szenarien, wann und in welchem Ausmaß sie der digitale Wandel treffen wird. Diejenigen Branchen, denen ein großer Knall bevorsteht, sollten die digitale Transformation als die zentrale Herausforderung betrachten, die in nächster Zeit auf sie zukommen wird. Unternehmen, die sich in der Kategorie „lange Lunte, großer Knall“ befinden, werden sich dem Umbruch in drei bis fünf Jahren gegenübersehen und haben daher etwas mehr Zeit. Dagegen besteht in jenen Branchen, die sich dem Szenario „kurze Lunte, großer Knall“ stellen müssen, dringende Notwendigkeit zu handeln. Für einige von ihnen, wie beispielsweise Medien, Telekommunikation und Einzelhandel, hat der Wandel schon vor vielen Jahren begonnen und setzt sich weiter fort.
Die disruptive Kraft der innovativen, jungen Unternehmungen (u.a. Start Ups) macht das Management der langjährig etablierten kleinen wie großen Player zu einem aufwendigen Überlebenskampf. Nach den Medienhäusern und der Reisebranche sowie dem Buchhandel stehen nun auch die produzierende Industrie und der Handel sowie die Markenartikler im Food- und Non-Food-Bereich vor neuen Herausforderungen.
Um die Auswirkungen des Digitalzeitalters realistisch vordenken zu können, gilt es ebenfalls disruptiv und digital denken zu lernen. Der Einfluss neuer Technologien muss auf die heutige und zukünftige Wertschöpfung des Unternehmens abgeschätzt werden. Und gegebenenfalls muss diese komplett neu erfunden werden. Aber wer soll das in einem Unternehmen tun? Und was bedeutet das eigentlich?
Ein Beispiel für ein neues, digitales Geschäftsmodell
Wie viel Gewicht schleppen Geschäftsreisende im beruflichen Alltag von Flughafen zu Flughafen? Für die Produktdesigner eines Kofferherstellers ist dies auf den ersten Blick eine interessante Frage. Denn das Gewicht des Gepäcks beeinflusst das Design der Hartschale, die Auswahl der Materialen, die Konstruktion der beweglichen Teile u.v.m.. Die Entwicklung eines am Markt erfolgreichen Reisegepäcks ist mit einem durchaus aufwendigen technischen Einsatz verbunden. Was das mit „Digitaler Transformation“ zu tun hat?
Stellen Sie sich vor, der Koffer zeigt auf einem kleinen Display oder auf Ihrem Smartphone das Gewicht des Koffers mit Inhalt an. Weil der Hersteller eine kleine Waage im Koffer eingebaut hat. Nie wieder das Zittern vor dem Aufpreis für das Übergewicht beim Check In. Stellen Sie sich vor, der Koffer wird zur Ladestation für Handy und Laptop. Stellen Sie sich vor …
So wie in diesem Beispiel sind digitale Geschäftsmodelle auch in den auf den ersten Blick analogen Unternehmen denkbar. Dazu wird auch das Zusammenspiel zwischen Produktentwicklung und Kommunikation neu definiert. Ein dringender Bedarf. Denn im Wettbewerb könnte ein potenter Mitbewerber Produkte wie dieses hier auf den Markt werfen:
Aber denken wir weiter. Stellen Sie sich vor, die Daten des Koffers werden gesammelt und die Reisenden vergleichen das Gewicht ihres Reisegepäcks in diversen Wettbewerben mit anderen Vielreisenden. Wer mehr Gewicht hat, gewinnt. Oder der Koffer sammelt Flugmeilen.
Mag sein, dass man das Konzept vielleicht noch mit klugen Köpfen weiterdenken muss. Aber die Aufgabenstellung an die Produktentwicklung könnte in Zukunft auch das Kommunikationskonzept zur Vermarktung beinhalten.
Stellen Sie sich vor, das Produkt wird in Folge mit den Daten der Besitzer zum Sender ihrer Markenbotschaften, in unserem Beispiel mit dem Koffer z.B. die Manifestation des Begriffs “Langlebigkeit” im Zusammenhang mit Ihrer Marke.
Doch das Internet Of Things (IoT) ist nur eine der vielen Entwicklungen, die ein Unternehmen vor neue Herausforderungen stellt (Link).
Ist „Digital Transformation“ nur ein Buzzword?
Vor einem Jahr hinterfragte der Schweizer Alain Veuve den Begriff „Digitale Transformation“ (Link). Tatsächlich gibt es kaum eine Unternehmensberatung die darüber keine Studien und Case Studies publiziert oder Videos ins Netz stellt, z.B. dieses Beratervideo von PwC:
Alain Veuve zufolge ist der Begriff „Digitale Transformation“ irreführend. Für mich nachvollziehbar. Denn es geht oft gar nicht nur um die „Digitalisierung“ oder um das „Transformieren“, im übrigen ein endlicher Begriff. Nach Abschluss einer sg. Transformation im Unternehmen gilt es auf lange Sicht auch eine Fehlerkultur im Unternehmen zu etablieren. Denn Technologien kommen und gehen. Aber die Anwender der Technologien bleiben (die Kunden des Unternehmens).
Ihr Digital Evangelist im Unternehmen
Egal wie man zum Begriff „Digital Transformation“ steht, es bleibt vielen Unternehmen nicht erspart sich den Herausforderungen zu stellen. Herausforderungen, die sich oft allein mit dem Erfahrungsschatz des bestehenden Managements nicht mehr lösen lassen. David Rolfe Graeber, US-amerikanischer Ethnologe an der London School of Economics and Political Science sagte dazu:
Das Internet ist eine Realität wie die Schwerkraft, da mache ich mir keine Gedanken, ob nun die Vor- oder Nachteile überwiegen.
Digitalisierung findet statt. Jetzt. Mit oder ohne Ihnen. Erfolgsentscheidend ist, dass das Topmanagement sowie der Aufsichtsrat oder die Eigentümer voll und ganz dahinterstehen, damit eine Transformation ins Digitale erfolgreich sein kann. Fehler miteingerechnet. Es muss allen klar sein, dass unter dem Decknamen der Digitalisierung nur bedingt Kosteneinsparungen durchgesetzt werden können. Oft ist es ein notwendiges Investment um als Unternehmen auch in Zukunft zu reüssieren.
Und eine Digitale Transformation bedingt auch einen hohen Aufwand an Kommunikation innerhalb des Unternehmens um keine Unsicherheit oder gar Ressentiments gegenüber der Digitalisierungsstrategie aufkommen zu lassen.
Für all das muss eine Person nominiert werden, die gemeinsam mit der Unternehmensführung eine Vision für die digitale Zukunft des Unternehmens entwickelt, eine klare Richtung vorgibt und jeden Einzelnen im Unternehmen aktiv in den Transformationsprozess miteinbezieht. Diese Person ist das Bindeglied zwischen Mitarbeitern (z.B. Produktentwickler) und dem Topmanagement. Der “Transformer in Chief” – Link.
Buchtipp zum Thema: Second Machine Age (Link)
Übrigens, wie schön das Ergebnis einer Transformation sein kann, zeigt dieses Video: