Listen before you speak with SWELL – Die Social Audio App bei der #SXSW21

Technologien, Plattformen und Applikationen, die bei der jährlich stattfindenden South by Southwest (SXSW) „trenden“, haben gute Chancen sich in Folge auch als Produkt für die Masse zu etablieren. Oder sie gelten zumindest als Vorreiter in den neuen (von ihnen selbst definierten) Kategorien der Kommunikationsbranche. Dazu zählen z.B. u.a. der Kurznachrichtendienst Twitter und das Location-Based-Service Foursquare, die zwischen 2007 und 2009 bei der SXSW in den damals noch unbekannten Genres ihren ersten großen medialen Aufschlag hatten. Dieses Jahr findet die SXSW als Online-Event mit Videostreams statt. Bemerkenswert dabei ist der Launch von SWELL.

Was ist SWELL?

SWELL ist eine Anfang 2020 entwickelte Voice-basierte Social Media-Applikation aus San Francisco, deren Kernfunktion die auf max 5 Minuten limitierte Mini-Podcasts sind, die sg. „SWELLCASTS“. Bei der SXSW 2021 wird sie zum ersten Mal einem breiten Publikum zugänglich gemacht (siehe Weblink am Ende des Artikels).

Es geht also um Audio-Content. Und zwar um interaktiven, dialog-orientierten und somit sozialen Audio Content. Zuhörer können auf das Gesagte ebenfalls mit einer Audio Aufnahme statt eines geschriebenen Chatkommentars, Posting oder Tweet reagieren. Es entsteht ein Audio Stream mit chronologisch aneinander gereihten Audio-Beiträgen der Beteiligten, ein sg. SWELLCAST. Klingt auf den ersten Blick nach einer Konkurrenz zu CLUBHOUSE. Tatsächlich kann aber SWELL mehr.

Bild von whoalice-moore auf Pixabay

Was unterscheidet SWELL von CLUBHOUSE?

  • SWELL ist nicht nur iPhone-Usern vorbehalten. Die App gibt es auch für Android-Nutzer. Clubhouse hat hier zum Launch Android User ignoriert. Dementsprechend homogen ist die Clubhouse Community.
  • SWELL Audio Content kann man nur als SWELLCAST On Demand anhören, ähnlich wie bei einem Anrufbeantworter. Das dafür aber immer wieder. Dies ermöglicht es Usern Monolog-Serien ebenso wie auch Dialoge zu publizieren bzw. anzuhören. Bei CLUBHOUSE hingegen finden – ähnlich wie im Radio – die Gespräche live (in Echtzeit) statt und sind danach (noch) nicht abrufbar.
  • Ein SWELLCAST kann im Stream mit Links und Bilder angereichert werden. Ankündigungen mit max. 5 Minuten Länge sind, ergänzt mit entsprechenden Bildern und/oder Links, die derzeit meistgehörten Inhalte bei SWELL.
  • Dialoge finden also im SWELLCAST nicht, wie bei CLUBHOUSE, live sondern asynchron statt. Statt wie bei YouTube oder unter Facebook-Postings Kommentare abzugeben, kann bei SWELL im wahrsten Sinne des Wortes jede*r etwas zum Gesagten “sagen”. Weil es aber asynchron stattfindet, hören die Gesprächspartner einander zu bevor sie etwas mit ihrer Stimme kommentieren, ergänzen oder widersprechen. Dabei unterbrechen sie mit ihrer Antwort den Gesprächspartner nicht. Der Dialog wird also nicht zum Battle zwischen den lautesten Sagern. Übrigens, ein Segen für alle passiven Zuhörer so eines Gesprächs.

Ein Beispiel eines Dialogs via SWELL kann man sich hier anhören – ein Interview mit einem Sachbuchautor:

Bild von Jorge Guillen auf Pixabay

Anders gesagt, CLUBHOUSE ist wie Talk Radio im Livebetrieb, ein SWELLCAST ist ein aufgezeichnetes Gespräch mit meist wohlüberlegten und aufeinander folgenden Fragen und Antworten. Im Gegensatz zu CLUBHOUSE-Talker kann sich in einem SWELLCAST kein*e Gesprächsteilnehmer*in auf den Sager “Was kümmert mich mein (törichtes) Geschwätz von gestern?” zurückziehen. Außer er löscht seine Beiträge wieder. Sprich: Zuhören (bevor man etwas sagt) ist als aktiver Teilnehmer*in mindestens so wichtig wie sprechen.

Was ist der Mehrwert von SWELL?

Bei der Flut an digitalen Inhalten in virtuellen Communities ist es für viele Menschen mittlerweile schwierig, selbst aktiv an authentischen und offenen Diskussionen teilzunehmen (statt nur zuzuhören, wie es bei Podcasts der Fall ist). Das oft missverständliche Aneinanderreihen von Kommentaren und Tweets auf den bekannten Social Media Plattformen erfordert eigentlich kein Zuhören oder Lesen des davor Gesagten. Die Quantität und Lautstärke der oft gleichzeitig abgegebenen Kommentare übertüncht die Qualität der weniger lauten. Ein Beispiel sind die Großbuchstaben in einem Thread. Die Folgen sind oft eine Reihe an Missverständnissen. Die menschliche Stimme fehlt in den großen sozialen Netzwerken weitgehend.

Bei SWELL hingegen ist es mit den Audio Chats in der Gruppe oder den privaten Dialogen in einer geschlossenen Gruppe möglich dem Gesagten mehr Zeit und Raum zu geben. Denn das Gespräch würde stocken, wenn man das zuvor Gesprochene ignoriert, und wäre somit beendet.

Und was fehlt?

U.a. die Spontanität und der Charme eines Gesprächs in Echtzeit. Einige Swellcasts klingen leider sehr “bemüht korrekt”. Und einige Swellcaster beginnen zu “acten” und klingen deswegen leider nicht authentisch. Wie bei allen Applikationen und Medienformaten entscheidet somit auch bei SWELL nicht die Technologie (allein) über den Erfolg, sondern vor allem der Inhalt hinsichtlich Relevanz und die handwerkliche Umsetzung der Content Produktion. Im Fall von SWELL ist die Performance der Swellcaster ausschlaggebend, ob diese App in Zukunft genutzt wird. Aber wer weiß, vielleicht ist sind CLUBHOUSE und SWELL nur die ersten einer Reihe von Social Audio Apps, die in Zukunft in verschiedenen Varianten auf den Markt kommen. Es wäre auch nicht neu, wenn Big Player wie Facebook und Google die Funktion in bestehende Anwendungen integrieren. Denn wie heißt es so schön im Cluetrain Manifest: “Gespräche zwischen Menschen klingen menschlich. Sie werden in einer menschlichen Stimme geführt.

https://www.cluetrain.com/

Fazit

Mit den sg. „SWELLCASTS“ (= Mini-Podcasts) sehen die Gründer von SWELL, Sudha Varadarajan und Arish Ali, ihre App nicht nur als Antwort auf CLUBHOUSE, sondern eigentlich als Alternative zur Polarisierung auf Social Media Plattformen. Denn die Menschen denken in den meisten Fällen nach, bevor sie bei SWELL ein Kommentar als Audiobeitrag aufzeichnen und als SWELLCAST broadcasten. Sorry, dort heißt es “swellcasten”.

Es wird sich zeigen, ob und wie SWELL zum Mainstream wird. Potential hat die Applikation, auch wenn sich viele Menschen selbst ungern hören bzw. sich schwer tun sich selbst mit einem Monolog aufzunehmen und sich stattdessen vielleicht auf das Zuhören konzentrieren werden.

Hier gibt es ein schönes Video von SWELL und seiner Funktionen – die nächste Evolutionsstufe im Podcast-Trend:

Übrigens, dass viele der Technologien, die bei der SXSW zum ersten Mal den digitalen Vorreitern präsentiert werden, auch floppen oder zumindest ihrer Zeit etwas zu weit voraus sind, beweist das 2018-2019 groß gehypte Thema Audio AR (Link). Ob aber das alles, was man bei der SXSW zu sehen bekommt, eine Bereicherung oder Inspiration für die eigene Arbeit ist, kann man selbst gestalten. Fertige Lösungen sieht man selten auf der SXSW. Es sind Ausblicke. Egal ob das Impulse aus Branchen sind, mit denen man selbst nichts zu tun hat, z.B. Health, Education, Gaming oder aus dem Bereich Digitalisierung und Kommunikation, in der ich arbeite. Hier gibt es also so einen Ausblick, die Session von SWELL vom ersten Tag bei der SXSW 2021 zum Nachsehen:

https://vimeo.com/511814177/c4c1107a2b

Link zur SWELL-App: https://www.swell.life/

Und wer nur reinhören will, kann das hier machen: https://swellcast.com

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