Seit Mobile Marketing auch am Radar der konservativsten Marketer aufscheint frage ich mich, warum bei allen Massnahmen so selten kostenlose Call Back-Funktionen (Missed Calls) angeboten werden.
Ganz selbstverständlich wird Traffic von Print, Plakat u.s.w. zu mehr oder (meist) weniger für mobile Endgeräte optimierte Websites geleitet (z.B. via QR-Codes, NFC-Verbindungen etc.). In Folge werden die Nutzer werden auf den kleinen Displays ihrer Smartphones durch diverse Formulare und teilweise durch weit komplexere Funktionen geschleust. Oder man bietet Apps zum Download an. Alles gut und schön. Aber die ursprüngliche Kernfunktion eines Telefons wird im Mobile Marketing kaum genutzt: Hören und Sprechen.
Es gibt sicher viele gute Gründe beim Mobile Marketing auf das gesprochene Wort bzw. Audioformate via Telefonverbindung zu verzichten. Aber in einem sogenannten Emerging Market wie Indien gibt es ein anderes Verständnis für Mobile Marketing. Der Grund ist einfach erklärt: Der Anteil an Smartphone User wächst. Aber bedingt durch fehlende Infrastrukturen (Datennetze, instabile Versorgung mit Strom) und die Kosten für Mobile Internet nutzen die meisten Menschen in Indien sg. Feature Phones.
Auch der Versand von SMS ist für die untersten Einkommensklassen in Indien zu teuer um mit Textnachrichten an Marketingaktionen teilzunehmen. Dass sich auf solch einfachen Geräten trotzdem erfolgreiche Mobile Kampagnen umsetzen lassen, zeigen die Kampagnen der politischen Parteien im indischen Wahlkampf 2014 sowie diverse Kampagnen für Garnier, Pepsi, Colgate u.v.m.
Bei Anruf Branded Content
Das Format dieser Kampagnen sind meist Sprachnachrichten die vom Nutzer mittels kostenlosem Anruf (Missed Call) angefordert werden, zum Großteil sogar abonniert. Auf diese Missed Calls folgt ein “Rückruf” des werbenden Unternehmens. Dabei werden Interaktionen durch Telefonbäume oder sogar ein Dialog in Echtzeit eingeleitet, z.B. mit einem Versicherungsberater. Oder es werden, sobald man beim angeforderten Rückruf des Unternehmens abhebt, einfache Informationen als Sprachnachricht angeboten. Der eigene Missed Call kann auch ein Vote anstelle eines SMS sein, ähnlich wie wir es von SMS-Abstimmungen in Casting-Shows im TV kennen. Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Mittlerweile werden auch Branded Content Kampagnen produziert.
Das Telefon wird zum Radio – siehe folgendes Video:
The big deal
Das Potential der Missed Calls in Süd-Ost-Asien hat auch Twitter erkannt. Deswegen übernahm der Kurznachrichtendienst dieser Tage die Marketingfirma ZipDial aus Bangalore in Indien. Nicht nur um die Tweets seiner User und Werbekunden via SMS an unerschlossene Nutzergruppen zu senden. Sondern auch um jene Millionen indischer Nutzer zu binden, die in absehbarer Zeit erstmals einen Anschluss ans Internet erhalten. Diese Nutzer in vorrangig ländlichen Regionen sind für Unternehmen wie Facebook und Google so wichtig geworden, dass es sogar Versuche gibt Internetzugänge über Drohnen und Ballons herzustellen. Und auch Twitter-CEO Dick Costolo hatte im Februar 2014 gegenüber Investoren die Devise ausgegeben: “Wir wollen jeden Menschen auf dem Planeten erreichen.”
Sind Missed Calls auch für europäische Märkte interessant?
In Indien richten sich mittlerweile viele dieser Missed Call-Kampagnen auch an Smartphone User mit Internetzugang. U.a. um den Zugang zu Online Angeboten zu promoten. Die Telefonnummern für die kostenlosen Missed Calls in Print- OOH-Sujets aktivieren mehr User als QR Codes. Und die Interaktionsraten der Missed Call-Kampagnen sind außergewöhnlich hoch. Das mag daran liegen, dass den Nutzern die Herausgabe der eigenen Telefonnummer in Indien leichter fällt als in Europa.
Aber wie immer gilt, ist das Angebot attraktiv und relevant, sind Menschen gerne bereit den Kontakt zuzulassen. Auch via Telefon.